Füttern wir unsere Pferde krank?

Diese Frage ist berechtigt, denn ein gesunder Organismus in einem Ihm zuträglichen natürlichen Umfeld ist für sich selbst ein nahezu perfekter Pharmakonzern und weiß sich selbst zu helfen.

 

Ca. 80% aller Erkrankungen lassen sich ernährungsbedingt erklären. Jeder Organismus besteht aus dem Baumaterial Nahrung. Dieses Baumaterial ist verantwortlich für die Entwicklung des Organismus, verantwortlich für die Regenerationsfähigkeit und verantwortlich für die Abwehr, das Immunsystem.

 

Jedes mal, wenn wir dieses System wissentlich oder unwissentlich manipulieren, also Ihm eine nicht zuträgliche Zusammensetzung an Baumaterial (auch Menge) zuführen, so gerät es aus den Fugen und die Antwort wird früher oder später in Krankheiten oder Mängeln sichtbar. Sehr oft so zeitversetzt, das einem die Ursache gar nicht mehr bewusst ist.

Wie verdaut ein Pferd und für welche Nahrung ist der Verdauungsaperat geschaffen?

Diese Frage ist für viele Hersteller von Futtermitteln mehr als unangenehm, da sie oft kontraproduktiv zur gewinnorientierten Firmenpolitik ist. Das Pferd hat sich wohl im Aussehen verändert, nicht aber in der Funktion der Verdauung und der organischen Funktion.

Es verdaut heute noch wie vor 1.000 Jahren.

 

Damit wird auch klar, das sich die natürlichen Fressgewohnheiten an sich nicht verändert haben.

 

Das Pferd wurde von der Natur als Dauerfresser konzipiert. In der Natur würde es 16 bis 18 Stunden am Tag mit fressen verbringen. Der Verdauungstrakt ist in seiner Funktion abhängig von einer konstanten Zufuhr an Rohfaser, nicht Konzentrat (Kraftfutter). Das Gebiss wurde konzipiert um Fasern zu zermahlen, nicht um Körner im großen Maße zu kauen.

 

Bedingt durch die natürliche fortwährende Nahrungsaufnahme wird beim Pferd konstant und ohne Unterbrechung Magensäure produziert, andere Tiere oder der Mensch benötigen hier den Futterreiz.

 

Gerade wegen der konstanten Produktion von Magensäure ist es wichtig, dass das Pferd zureichend mit Rohfaser (Heu) versorgt ist, denn durch den Kauprozess wird eine große Menge Speichel produziert die wiederum dafür zuständig ist die Magensäure auf ein gesundes Maß zu verdünnen.

 

Beim Fressen von Kraftfutter (Müsli etc.) wird pro KG ungefähr ein Liter Speichel produziert.

Beim Fressen von Heu werden durch die intensivere Kautätigkeit pro KG ungefähr 5 Liter Speichel produziert.

Dadurch wird die Magensäure auf das gewünschte Maß verdünnt und Magengeschwüren wird vorgebeugt.

 

Gleichzeitig bleibt die Darmflora in Blind und Dickdarm erhalten, sie lebt von Cellulose oder Pektinen.

Mit rohfaserhaltiger Kost füttern wir also nicht nur das Pferd, sondern auch die unbedingt notwendigen Nutzbakterien im Darm.

 

Das Pferd nimmt mit dem Maul Nahrung auf und kaut. Durch das Kauen wird die Nahrung aufgebrochen und mit Speichel versetzt.

Dadurch wird die Gleitfähigkeit des Nahrungsbreies erhöht und gleichzeitig die Oberfläche der Nahrung für den "Angriff" der Verdauungsenzyme und der Verdauungsbakterien vergrößert, der Prozess der Verdauung verläuft einfacher und gründlicher, als bei ungekauter Nahrung.

 

Im vorderen Teil des Magens herrscht noch ein weitestgehend basischer PH Wert. Hier wird leichtverdauliche Stärke und ein wenig Protein schon mal mikrobiell "anverdaut".

 

Wird der Futterbrei vom vorderen Teil des Magens in den hinteren Teil weitergeleitet, so gerät er in ein Säurebad.

Bakterien und Keime werden abgetötet. Nun beginnt die enzymatische Verdauung, es geht den Kohlehydraten, Proteinen und auch Fetten an den Kragen. Alles wird stark gelöst (aufbereitet) und auf die weitere Verarbeitung im Dünndarm vorbereitet.

Die Magenpassage des Futterbreis dauert zwischen 1 und 5 Stunden, danach tritt der Nahrungsbrei in den Dünndarm über.

 

Im Dünndarm findet eine reine enzymatische Verdauung statt. Hier kommen die Gallensalze aus der Leber und die Enzyme aus der Pankreas (Bauchspeicheldrüse) zum Einsatz. Einfachzucker werden hier direkt über die Darmwand an die Pfortader weitergeleitet.

Tauchen nun komplexere Stärkeverbindungen auf wie zum Beispiel aus Hafer, so kommt ein weiteres Enzym die Amylase zum Einsatz.

 

Die Amylase crackt die komplexen Zucker - Stärkeverbindungen in einfachere zwei oder Einfachzucker. So aufgebrochen können diese nun über die Darmwand wieder dem Organismus zugeführt werden.

 

Da zum einen die Passage im Dünndarm nur ungefähr 1 bis 1,5 Stunden andauert und zum zweiten das Verdauungsenzym Amylase nicht über unbegrenzte Kräfte verfügt, ist es kontraproduktiv große Mengen an Stärke (Kraftfutter) zu füttern. Die Verdauungskapazität ist begrenzt.

Weiterhin ist unsinnig, dem Pferd schlecht verdauliche Stärkequellen wie unbehandelte Gerste oder Mais zu füttern, da das Verdauungsenzym Amylase diese komplexen Zuckerverbindungen nur sehr schlecht aufspalten kann.

 

Somit wird die Stärke aus unbehandelter Gerste nur zu ca. 23% verdaut und die Stärke aus Mais zu ca. 28%.

Daraus resultiert die Überlegung oder das Gerücht "Hafer sticht". Wenn wir Gerste füttern, so füttern wir an sich halbtotes Material.

Gerste setzt aus der vorhandenen Stärke nur ca. 30% an Energie frei.

Hafer hat ungefähr 200% mehr freie Energie aus Stärke pro Kilo als Gerste. 5 Kilo Gerste führen allenfalls auf Grund der schlechten Verwertung zu Verdauungsstörungen, 5 Kilo Hafer hingegen führen zu einer Leistungsexplosion.

 

Im Dünndarm werden also Stärke, Proteine und Fette verdaut. Dieser Verdauungsvorgang sollte wenn möglich komplett abgeschlossen sein bevor der Speisebrei in den Blinddarm übergeht. Im Blinddarm herrscht ein anderes Verdauungssytem als im Dünndarm.

 

Blinddarm: Im Blinddarm übernehmen Mikroorganismen oder Bakterien die Arbeit der Verdauung. Hier wird dem Rest von schwer verdaulichen Kohlehydraten und Pektinen das Leben schwer gemacht. Im Blinddarm als riesige Gärkammer zerlegen Bakterien die dort ankommenden Nährstoffe, so auch Reste schwer verdauliche Stärke. Diese aber nur in geringen Maßen. Es sollte auf jeden Fall vermieden werden das große Mengen Stärke in den Blinddarm gelangen. Als Folge davon würde der Darminhalt übersäuern und damit würde ein Milieu geschaffen, das die wichtigen Nutzbakterien zum Absterben bringt. Dadurch wiederum wird nicht nur die Verdauungsleistung des Blind und Dickdarmes eingeschränkt, gleichzeitig richten die sterblichen Überreste der Nutzbakterien (Endotoxine, man könnte auch sagen Leichengifte) beträchtlichen Schaden an. Je nach dem in welchem Ausmaß das geschieht treten dann Stoffwechselprobleme bis hin zu ernsthaften Leberproblematiken und/oder einer Laminitis auf.

 

Dickdarm: Der Dickdarm beginnt mit dem großen Grimmdarm. Der Verdauungsprozess im Dickdarm ist ebenfalls durch Nutzbakterien gleitet und entspricht in etwas dem des Blinddarmes. Der Dickdarm vollendet den Prozess des Blinddarmes und verwertet die letzten Reste des Nahrungsbreis. Mögliche Reste von Proteinen werden von den proteinspaltenden Enzymen der Mikroorganismen in verdauliche Bestandteile zerlegt und über die Darmwand aufgenommen. Die Mikroorganismen in Blind und Dickdarm verdauen darüber hinaus auch noch die für das Pferd unglaublich wichtige Rohfaser (Cellulose).

Zusammenfassung

Bedingt durch den Aufbau des Verdauungssystemes des Pferdes, ist das Pferd nicht dafür geschaffen große Mengen an stärkehaltiger Kost zu bewältigen. Versuche in der Sportleistungsfütterung haben gezeigt, das es für ein Pferd kontraproduktiv ist mehr als 200 Gramm Stärke pro 100 KG Lebendmasse und pro Mahlzeit aufzunehmen. Die Verdauungskapazität des Magens und des Dünndarmes im Bereich der enzymatischen Verdauung ist hier schlicht überfordert.

 

Auch die Fütterung von schlecht verdaulichen Zuckern wie aus Gerste oder Mais sollte unterbleiben, denn die Anflutung von Stärke in den Blinddarm wirkt sich negativ auf dort ansässige Nutzbakterien aus, die wiederum unersetzlich für einen geordneten Verdauungsvorgang in Blind- und Dickdarm sind. Es drohen Koliken und Stoffwechselprobleme.

 

Die Hauptnahrung für das Steppentier Pferd ist und bleibt Rohfaser, respektive Heu. Kraftfutter sollte nur im Rahmen der wirklichen Notwendigkeit eingesetzt werden, wobei ein Kilo Hafer am Tag durchaus bekömmlich ist.